Wie ein Ast im Wald mir einen Holzwurm ins Herz legte

und warum ich ihn nicht mehr loslassen möchte

Es war ein regnerischer Nachmittag im Hofgut Hafnerleiten. Ich war dort für einen Schreibworkshop – nicht ahnend, dass ich dabei einem kleinen Holzwurm begegnen würde, der mein Herz auf ganz eigene Weise bewohnen würde.


Unsere Aufgabe war einfach: durch den Wald schlendern, einen Gegenstand mitbringen. Ich kehrte mit einem Ast zurück. Nichts Besonderes eigentlich – ein bisschen knorrig, ein bisschen moosbedeckt, ein Ast wie viele. Aber irgendwie sprach er zu mir. Oder besser gesagt: in mir.


Und plötzlich war da Fritz.

Ein Holzwurm mit rundem Bauch, unersättlicher Neugier und einem leisen Sehnen nach Zugehörigkeit. Einer, der mehr frisst, als gut für ihn (und die anderen) ist. Einer, der sich verliert – und genau darin ein bisschen mehr bei sich selbst ankommt.


Ich wusste sofort:

Dieser Wurm hat etwas zu sagen.

Holzwurm Fritz

So fing alles an ...

Hier ist die allererste Geschichte von Fritz, wie sie damals entstanden ist – fast wortwörtlich aus dem Holz geschnitzt ...

Holzwurm Fritz

Holzwurm Fritz schleppt sich nachdenklich durch den Wald. Mit dickem Bauch wälzt er sich durch das feuchte Moos. Immer wieder hält er an und knabbert an dem Zweig, den er von seiner Sippe als Proviant bekommen hat.

Noch immer versteht Fritz nicht, weshalb sie ihn verjagt haben. Seine Freunde! Liz, Karl, Hans und sogar der Sepp! Er frisst zu viel, haben sie ihm vorgeworfen. Er sei lebensgefährlich für die gesamte Sippe.

Na gut, vielleicht hätte er nicht bis an den Rindenrand knabbern sollen. Dorthin, wo das Holz so aromatisch, so knackig schmeckte. Dorthin, wo es plötzlich tock, tock, tock machte. Wo der Specht wartete. Wo ihn der Sepp gerade noch weggezogen hatte.

Fritz wohnte mit seiner Sippe in einem Wäldchen nahe Brunndobl. Sie teilten sich eine uralte Fichte. Das Holz alter Fichten schmeckt anders als das Holz junger Bäume, erdiger und moosiger. Ein Aroma, das sich bildet, sobald eine Fichte an Jahresringen zulegt.

Bei seinen heimlichen Fresstouren durch ihre Fichte hinterließ Fritz tiefe Spuren. Rülpsend waberte er durch den Baum, die dicken Backen mit leckeren Holzspänen gefüllt. Und immer öfter brachen seine Freunde ein, im Holzlabyrinth, das Fritz so beharrlich erweiterte. Doch erst die Sache mit dem Specht brachte das Fass zum Überlaufen.

Karl zitierte Fritz zur Holzwurmversammlung: „Wurm Fritz, das geht so nicht! Du bist zu verfressen. Du bringst uns in Gefahr. Der Specht hätte uns alle verschlingen können. Wir wollen dich hier nicht mehr haben.“

„Tzz, ich finde sicher wieder einen neuen Baum, und eine nette Sippe mit dazu“, erwiderte Fritz und kaute auf einem der Holzspäne aus seiner linken Backe. Dann würmelte er sich davon. Seine Freunde saßen auf einem langen Ast und seufzten ihm hinterher.

Bald hörte Fritz ein fröhliches Lachen und angeregtes Gemurmel. „Da gehe ich hin. Die nehmen mich bestimmt auf und ob es der oder ein anderer Baum ist, ist mir völlig egal.“

Regenwürmer! „Ich bin Fritz, wollt ihr mich aufnehmen?“, rief er ihnen zu. Doch die lachten ihn nur aus. Später traf Fritz drei Nacktschnecken, die ihn, den Holzwurm, nicht einmal eines Blickes würdigten. Und auch die Ringelnatter, lang und fett, wie Fritz es niemals werden konnte, wollte ihn nicht in ihrem Bau aufnehmen. Traurig trollte er sich davon.

Zum ersten Mal in seinem Holzwurmleben fühlte Fritz sich einsam. Nicht einmal das Holz schmeckte ihm. Auf die Düfte von Moos und Tannenzapfen reagierte er schon lange nicht mehr. Gelangweilt kroch er dahin, und dachte wehmütig an seine Freunde und die schöne, gemeinsame Zeit in der alten Fichte. Vor Kummer verlor Fritz Gramm um Gramm und wurde schlank wie in seiner Holzwurmjugend.

Plötzlich hört er ein leises Kichern.

Liz! Er erblickt sie gemeinsam mit Karl auf der Kappe eines Fliegenpilzes. „Hallo Fritz, wir beobachten dich schon eine ganze Weile. Gut siehst du aus.“ Und nach einer kleinen Pause sagt Karl: „Du gehörst zu unserer Sippe, und wir möchten dich wieder bei uns haben. Denn gemeinsam schmeckt es doch viel besser! Wir haben schon ein Fichtenholz-Carpaccio für dich vorbereitet.“

© Gabi Rieser, 2012

Und jetzt?

Fritz ist seit jener ersten Geschichte weitergewürmelt.

Manchmal langsam, manchmal schnurstracks, oft mit einem Stück Rinde zwischen den Zähnen – aber immer mit offenem Herz.

Inzwischen hat er ein eigenes kleines Zuhause gefunden:

hier auf dem Blog.

Ein Ort, an dem er teilt, was ihm unter die Rinde geht

leise Beobachtungen, Alltagswunder, Moosgedanken, versponnene Geschichten …

und manchmal ein herzhaftes Rülpsen nach einem besonders guten Holzspänchen.


Wenn du Lust hast, Fritz zu begleiten – auf seinem ganz eigenen Weg durchs Leben –, dann stöbere gern in seinen Erzählungen.

Mal nachdenklich, mal verspielt, mal ganz still.

Vielleicht bringt er auch dich zum Schmunzeln, Innehalten oder innerlich Weiterwurmeln.


Du möchtest noch näher dran sein?

Dann schau auch bei seinem WhatsApp-Kanal vorbei – da meldet er sich manchmal mit kurzen Gedanken direkt aus dem Holz.